Wie du Klischees in deinen Reisetexten vermeidest

Wie du Klischees in deinen Reisetexten vermeidest

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Ein typisches Berlin-Klischee: Berliner können keinen Flughafen bauen

Von pittoresken Dörfern, bedeutungsvollen Reisezitaten und arg bemühten Vergleichen: was Klischees mit deinen Reisetexten machen und wie du mit Plattitüden und Gemeinplätzen umgehst.

An wen richtet sich dieser Artikel?

Den meisten Reisebloggern muss ich wohl nicht erklären, wie sie gängige Klischees vermeiden. Zumindest denen, denen ich folge und deren Arbeit ich sehr schätze. Statt aus bloßer Bequemlichkeit gängige Stereotypen zu nutzen, beschreiben gute Reiseblogger ihre eigene Eindrücke und spüren ein Verantwortungsgefühl gegenüber den beschriebenen Destinationen und der dort lebenden Menschen.

Dieser Artikel ist interessant für dich, wenn du – als Texter im Tourismus, als Reisejournalistin, als Destination oder touristischer Dienstleister – Content erstellen willst, der nicht das nacherzählt, was alle anderen schon vor dir  geschrieben haben. Texte mit Mehrwert, die deine einzigartige Sichtweise auf einen Ort wiedergeben, die über das Klischee hinaus denken und sich abheben vom Einheitsbrei der unoriginellen Contentschleudern. Lust auf ein wenig Klischee-Bashing? Super, weiterlesen!

Was ist ein Klischee?

Ein Klischee ist laut Duden eine „Imitation“, „Kopie“, „Nachbildung“ oder „Abklatsch.“ An letzterem siehst du schon, dass hier eine (Ab-)wertung vorgenommen wird. Ein Klischee ist eine eingefahrene Vorstellung, ein Stereotyp und ein Gemeinplatz – der stimmen kann, aber oftmals veraltet oder schlichtweg falsch ist.

Beliebte Klischees in Reisetexten

Im Travel Writing und in touristischen Texten findest du überall Klischees. Gerade Anbieter von Pauschal- und Städtereisen arbeiten mit den sich immer wiederholenden Klischees. Manchmal ist ein Klischee aber gar kein Klischee, sondern einfach eine Tatsache, die nur so klischeehaft wirkt, weil wir uns etwas genau so vorgestellt haben.

So war zum Beispiel an meinem ersten Abend in Tiflis im Restaurant am Nebentisch eine Männerrunde, die die typisch georgischen Gesänge angestimmt hat. Davor dachte ich, wenn ich das in Dokumentationen gesehen habe: das will man uns doch nur weismachen, dass das dort wirklich so ist. Was soll ich sagen – es hat sich nunmal genau so zugetragen. Ganz unorganisiert und spontan.

Manchmal ist ein Klischee auch eine urbane Legende: “Bielefeld gibt es nicht” ist so eine Verschwörungstheorie, an die wohl nur die wenigsten glauben und bei den Bielefeldern maximal ein gequältes Lächeln hervorruft. Als ich aber neulich auf Instagram ein Foto aus Bielefeld gepostet habe, gab es mit genau diesem Wortlaut mehrere Kommentare.

Klischees können verdammt nervig sein für diejenigen, die sich das immer wieder anhören dürfen. Für die Bielefelder ist das die angebliche Nichtexistenz ihrer Stadt – für mich, dass ich mir jedes mal was über den unfertigen Berliner Flughafen anhören muss, wenn ich Leute kennenlerne, die nicht aus Berlin sind.

Klischees über Städte, Regionen, Länder

Aber auch  ohne in Reisekatalogen zu blättern oder Reisedokumentationen zu sehen entstehen in unseren Köpfen bestimmte Vorstellungen, wenn wir an eine bestimmte Destination denken. Paris? Na klar, die Stadt der Liebe.  England? Da regnet es immer. Neuseeland? Herr der Ringe. Malediven? Flitterwochen!

Nicht jeder hat die gleichen Klischees im Kopf

Je nachdem, wie du aufgewachsen, geprägt und ausgebildet wurdest, haben sich andere Klischees in deinem Kopf festgesetzt. Manchmal rufen Orte nur ein Vorurteil in dir hervor, manchmal verknüpfst du damit reale Erfahrungen. Mallorca kann sowohl den Gedanken „Besoffene am Ballermann“ oder aber „Mallorca hat auch schöne Ecken“ in dir auslösen; Bali wunderschöne Sonnenuntergänge und traumhafte Strände oder aber Plastikflut und Overtourism.

Klischeehafte Beschreibungen und Platitüden

Wenn wir Orte beschreiben, tappen wir oft auch in die Vergleichsfalle. Es ist halt einfach so verlockend: Manchmal hilft der Vergleich mit Bekanntem, um einen fremden Ort für ein unwissendes Publikum greifbar zu machen. Prag ist „das Paris des Ostens“, Berlin hat „mehr Brücken als Venedig“ und die Uckermark ist die Toskana Deutschlands.

Klischees und Overtourism

Können Klischees in Reisetexten zu Overtourism führen? Eine spannende Frage, die sich nicht so eindeutig beweisen, aber durchaus Tendenzen erkennen lässt. So ist es ziemlich klar, dass die Klischees aus den Rosamunde-Pilcher-Filmen im ZDF dazu geführt haben, dass Cornwall einen Ansturm an Touristen erlebt hat.

Wohlgemerkt, es geht hier nicht darum, dass allein die Nutzung eines Orts als Filmkulisse zum Problem werden könnte. Ja, nach Dubrovnik kommen viele Game of Thrones Fans, doch es ist kaum denkbar, dass sie erwarten, dass dort die gleichen Dinge passieren wie in der Fantasy-Serie. 

Bei der rosaroten Welt der Rosamunde-Pilcher scheint es aber durchaus so zu sein, dass eine bestimmte Art von Touristen so ein Cornwall vorfinden wollen, wie sie das aus den Filmen kennen – mitsamt aller Klischees.

Reise Klischees in Social Media: immer dieselben Zitate

Es gibt wohl kaum irgendwo so viele Klischees über das Reisen in den sozialen Medien, vornehmlich auf Instagram. Viele Influencer sind erfolgreich damit, ein schönes Bild zu posten und es mit einem klischeehaften Spruch zu versehen.

Meist sind das weniger die „ernsthaften“ Reiseblogger, sondern Lifestyle-Influencer(innen), die immer wieder ein- und dieselben Zitate rund ums Reisen benutzen. Klischeehaft? Na klar. Erfolgversprechend? Durchaus.

Warum Klischees schlecht für deine Texte sind

Wenn dein Text über eine Destination voller Klischees ist, dann gehst du Gefahr, dass Leser diesen als langweilig empfinden. Klischees sind Gemeinplätze und ich will in einem Reisetext nicht zum hundertsten Mal genau das lesen, was ich eh schon weiß oder zu wissen meine. Zu viele Stereotypen machen einen Text unkreativ und austauschbar – er wirkt wie eine lieblose Aneinanderreihung von Wörtern. 

Mit den Texten über deine Stadt, deine Region oder deine touristische Dienstleistung möchtest du die Leser begeistern, du möchtest einen Funken in ihnen entfachen. Mit den richtigen Worten wird aus diesem Fünkchen echte Begeisterung, die schließlich zu Taten führt. Dein Text kann dafür sorgen, dass jemand genau deine Destination besuchen will, ein bestimmtes Gericht einer Region essen möchte oder etwas erleben will, dass du so mitreißend geschildert hast.

Wenn du stattdessen nur die gängigen Klischees bedienst, ist die Chance relativ groß, dass der Leser unbefriedigt ist und höchstwahrscheinlich nicht zu Ende liest. Na bravo: Klischees haben dazu geführt, dass du einen möglichen Kunden in die Flucht geschlagen hast.

So vermeidest du Klischees in deinen Reisetexten

Wir haben gelernt: Klischees in Reisetexten können viele Ausprägungen haben: gängige Annahmen über Orte, typische Reisesprüche, Gemeinplätze ohne konkrete Beispiele. Eine typische Verwendung von Klischees in Reisetexten findet aber auch oft in den gewählten Adjektiven statt. Hände hoch, wenn du folgendes schonmal getan hast: einen Ort als „malerisch“ beschrieben, ein Dorf als „pittoresk“ oder einen Sonnenaufgang als „atemberaubend“? Been there, done that, um einen weiteren Klischeespruch zu bemühen.

Wie gehst du nun aber vor, wenn du einen Reisetext ohne Klischees schreiben willst? Erstmal: kein Druck. Mache dir die Klischees bewusst, die es für den Ort gibt, über den du schreibst. Schaue dir jede Aussage an und frage dich: Welche Botschaft vermitteln diese Klischees? Ist das die Message, die ich rüberbringen möchte? Überlege aber auch: stellen diese Klischees nur einen Teil der Wirklichkeit da? Lassen sie etwas Wesentliches aus, auf das ich die Aufmerksamkeit meiner Leser richten möchte?

Klischees identifizieren und an das Gegenteil denken

Ich habe mal einen Pitch für ein Jugendmagazin geschrieben, wo es um Sevilla und Musik ging. Der Text ging folgendermaßen los: “Sevilla ist die Wiege des Flamenco”. Es dauerte keine 10 Minuten, bis mir die verantwortliche Redakteurin den Pitch um die Ohren schleuderte. “Ernsthaft? Sevilla und Flamenco? Meinst du nicht, das habe ich schon abertausende Male gelesen? Überleg dir gefälligst was anderes.”

Die Redakteurin hatte weit vor mir begriffen, dass dieser Text nur eine langweilige Aneinanderreihung gängiger Klischees sein würde. Durch ihre Ablehnung habe ich mir erst richtige Gedanken gemacht, was ich über Sevilla alles Interessantes berichten könnte. Herausgekommen ist “Sevilla – Europas Hauptstadt des Hip Hop.” Ein Text aus den Anfängen meiner journalistischen Laufbahn, mit dem ich heute immer noch leben kann.

Warum du Klischees nicht um jeden Preis umgehen solltest

Solltest du also Klischees in Reisetexten auf jeden Fall vermeiden? Die Antwort darauf ist ein deutliches: “Jein.” Klischees krampfhaft zu vermeiden kann sogar kontraproduktiv sein. Dein Artikel wird nicht automatisch schlecht oder langweilig, nur weil du darin ein oder zwei Klischees aufführst.

Klischees in Reisetexten richtig nutzen

Denn Klischees können einem Text sogar nutzen, wenn du sie richtig verwendest. Texterin und Schreibcoach Anna Koschinski weiß, wie:

“Klischees können auf mehreren Ebenen im Diskurs wirken: Einerseits auf der Beziehungsebene, denn sie betonen eine gemeinsame Realität von Leser und Schreiber; sie sagen also: ‘Das kennen wir alle’. Andererseits wirken Klischees auf Argumentationsebene, denn sie öffnen uns den Raum, um eine starke Meinung zu präsentieren. Indem wir zunächst einer gängigen Meinung oder Anschauung folgen, können wir danach umso leichter eine weitere, weniger bekannte Sichtweise aufnehmen. Strategisch eingesetzt können Klischees einen Text also verbessern, weil Argumente stärker im Gedächtnis bleiben.”

Gute Klischees, schlechte Klischees

Wenn du dir selbst immer wieder Klischees anhören musst, über deinen Beruf, deine Herkunft, den Ort, in dem du lebst: Ignoriere sie – oder nutze sie dabei, um dein Gegenüber komplett zu verblüffen. Das kannst du sowohl für dich selbst im Gespräch, als auch im Kontext des Travel Writing nutzen.

Doreen Trittel arbeitet als Künstlerin mit den Themen Erinnerung und Veränderung und hat einen guten Umgang mit Klischees gefunden:

“Mir begegnen persönlich immer wieder Klischees als Ostdeutsche, Stasi-Kind, als Frau und Mutter, als Berlinerin und Künstlerin. Manchmal gehe ich nicht darauf ein, aber oft macht es mir Spaß, aus der Schublade des gegenüber herauszuhüpfen.”

Hüpf doch einfach auch mal mit einem überraschenden Twist in deinen Reisetexten aus der Klischeeschublade, in dem man dich oder deinen Ort gesteckt hat!

Das Klischee ist nicht an allem Schuld

Wenn ein Reisetext von dir nicht funktioniert, wenn er nicht geklickt wird oder du damit nicht deine Wunschkunden erreichst, dann ist garantiert nicht nur das ein oder andere Klischee im Text schuld. Ja, zu viele Klischees können einen Text uninteressant machen. Wenn deine Texte nicht das erzielen, was du damit nicht erreichen willst, dann solltest du deine Content-Strategie generell überdenken – dabei helfe ich dir gerne!

9 Kommentare

Servus Sandra!

Ein sehr interessanter Artikel! Danke dafür und auch die Verlinkung zu meinen Gedanken zum Overtourism.

Das mit den Klischees ist so eine Sache, denn manchmal beschreiben sie halt wirklich einen Ort am besten. Und ja, auch ich habe bei so mancher meiner Wanderbeschreibungen die Aussicht vom Gipfel als “atemberaubend” beschrieben. Aber nicht, weil ich die Tour interessanter aussehen lassen wollte, sondern weil es in diesen Fällen mir wirklich so erging. Der Schafberg ist so ein Beispiel, auch wenn es dort vor Touristen nur so wimmelt (das verheimliche ich in meiner Beschreibung aber auch nicht sondern weise sogar explizit darauf hin).

Aber Klischees sollte man nicht überstrapazieren, damit gebe ich dir absolut recht!

Have fun
Horst

Lieber Horst,

vielen Dank für deine Gedanken! Ich komme auch um die Klischees nicht drumherum: jeden zweite Sonnenaufgang beschreibe ich als “atemberaubend” – weil ich es einfach so empfinde :). Tja und jetzt will ich auf den Schafberg, da muss ich gleich mal bei dir vorbeischauen 😉
Liebe Grüße,
Sandra

Oh ja, das stimmt. Ich habe die Tage erst über ungewöhnliche Orte in Prag geschrieben, dabei aber absichtlich das Paris des Ostens weg gelassen. Die Stadt ist wunderschön, hat aber aus meiner Sicht so viel Eigenes zu bieten, dass ich Paris und die damit verbundenen Klischees und Assoziationen nicht brauche.

Liebe Sandra,

herzlichen Dank für diesen unterhaltsamen Einblick in die Klischees und deine Ansichten dazu. Ich bin leider auch jemand, der gerne atemberaubend oder ähnliches schreibt, weil es einfach Orte gibt, die nicht anders zu bezeichnen sind. Dein Beitrag ist ein absolut interessanter Ansatz und regt mich zum Nachdenken an. Vielen Dank!

Viele Grüße,
Tanja

Manches, was Du hier als Klischee bezeichnest, ist manchmal genau das Richtige. Auch so abgenudelte Vergleiche´wie “Suzhou – das Venedig des Ostens” sind wirkungsvoll. Denn gerade dadurch, dass sie bekannt sich, rufen sie beim Leser ein bestimmtes Bild hervor. Das machen sich viele Tourismus-Texter zunutze. Ich finde das auch nicht wirklich verkehrt. Ich schreibe schon seit vielen Jahren Texte für Reisekataloge. Da komme ich um das, was Du Klischee nennst, manchmal nicht drumrum. ein spektakulärer Sonnenuntergang kann einem den Atem rauben. Also kann man das auch so schreiben. Es geht bei solchen Texten eben auch um Bilder. Aber ich merke es auch, wenn jemand, vielleicht aus Unerfahrenheit, sich zu vieler Klischees bedient. Andererseits sehe ich auch, wenn jemand seinen Text auf “ohne Klischees” quält. Ist auch nicht schön.
Also: Ich finde Klischees nicht schlimm.
Beste Grüße
Ulrike

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